Sekretariat für Geschichte der Frühen Neuzeit & Geschichte und ihre Didaktik bis 6.1 geschlossen
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Die diesjährige Sommerakademie wurde erneut von den Universitäten Aachen, Düsseldorf und Wuppertal sowie den Monumenta Germaniae Historica in Kooperation mit dem Mediävistenverband durchgeführt. Die Federführung der von den Fächern Allgemeine Literaturwissenschaft, Klassische Philologie sowie Mittelalterliche Geschichte getragenen Sommerakademie lag dieses Jahr bei der Bergischen Universität Wuppertal. Dort widmeten sich vom 21. bis zum 25. September 22 Studierende aus dem In- und Ausland dem Thema "Mittelalterliche Biographien. Vitae und Gesta" in einer Mischung aus Einführungen in einzelne Themenbereiche, praktischen Leseübungen, editionstheoretischen Überlegungen sowie exemplarischen Editionsversuchen von Einzelpassagen und -stücken.
Eröffnet wurde die Sommerakademie von einer Sektion unter der Leitung von Martina Hartmann (MGH, München) zur Translatio der merowingischen Königin Balthild. Bereits hier stand neben der paläographischen Übung vor allem die Frage der konkreten Umsetzung in einer möglichen Edition im Zentrum der Sommerakademie. Am Beispiel der Translatio und ihrer kopialen Überlieferung aus dem 12. Jahrhundert wurden sprachliche Anpassungen des Textes, ihre Ursachen und die editorischen Folgen diskutiert. Francesco Roberg (Marburg) gab einen Einblick in die unterschiedlichen Hilfswissenschaften und demonstrierte deren Erkenntnismöglichkeiten anhand des ältesten Nekrologs von St. Maximin. Hier stand weniger die Fluidität des Textes als vielmehr die konkrete (materielle) Formung der Quelle und die daraus ableitbaren Folgerungen im Zentrum des Interesses. Eher editionstheoretisch ausgerichtet war die Sektion von Ursula Kocher (Wuppertal), die am Beispiel Petrarcas und Boccaccios deutlich werden ließ, wie stark der Blick auf Werke durch die scheinbar abgesicherte Editionstradition geprägt sein kann, obwohl der handschriftliche Befund den aktuellen Editionen und dem in ihnen hergestellten Werkzusammenhang widerspricht.
Den Höhepunkt des Umgangs mit Quellen in ihrer originalen Überlieferung bildete am Mittwochvormittag ein Besuch der ULB Düsseldorf, bei dem die theoretisch und anhand von Papierkopien und Digitalisaten erworbenen Kenntnisse an Originalhandschriften vertieft werden konnten. Nach einer Einführung durch die Dezernatsleiterin, Frau Anne Liewert, wurden die Studierenden auf vier Gruppen verteilt und konnten so im Rotationsprinzip nicht nur einzelne Handschriften aus nächster Nähe betrachten, sondern durch die Restauratoren der ULB Düsseldorf zusätzliche Einblicke in die Materialität von Pergamenthandschriften gewinnen. Ein Schwerpunkt lag auf Handschriften der Zisterze Altenberg, einer Stiftung der Grafen von Berg mit den Handschriften B 16 (Beda Venerabilis und Hrabanus Maurus, 2. Hälfte 12. Jahrhundert), B 39 (Sammelhandschrift mit Viten sowie einem Verzeichnis der Indulgentiae urbis Romae und Hinweisen zur Jerusalemreise, 14./15. Jahrhundert), B 43 (Vita prima Bernhards von Clairvaux, 4. Viertel 12. Jahrhundert), B 50 (Vita patrum, 4. Viertel 14. Jahrhundert) und B 67 (Vitensammlung, darunter Siebenschläfer, 1. Viertel 13. Jahrhundert). Hinzu traten noch die Handschrift B 44 (Vita prima Bernhards von Clairvaux, 2. Hälfte 15. Jahrhundert) aus St. Jörris (Georgenbusch), aus vermutlich Siegburger Provenienz G 5 (Hagiographische Sammelhandschrift, 12. Jahrhundert) sowie die aus Norditalien stammende Handschrift A 12 (Evangelium secundum Lucam et Johannem, mit Glosse, 13. Jahrhundert).
Zurück in Wuppertal wurden in der Sektion von Jochen Johrendt (Wuppertal) die Verwendung von Briefen/Urkunden in Gesta am Beispiel des Schreibens Sicut universitatis conditor Innozenz' III. und seiner Inserierung in die 1208/9 abgeschlossenen Gesta dieses Papstes thematisiert. Die von Jörg Bölling (Göttingen) geleitete Sektion war vorrangig einem im Göttinger Apparat befindlichen Fragment der älteren Vita Ulrichs von Augsburg gewidmet, an dessen Beispiel er die Bedeutung fragmentarischer Überlieferung für die Textgenese und Edition veranschaulichte. Christoph Schubert (Wuppertal) behandelte die Vita und Translatio des Heiligen Fructuosus von Braga. Zwei Textzeugen dienten der beispielhaften Problematisierung von Stemmabildung, Abhängigkeitsverhältnissen von Handschriften und der Annahme von Zwischenstufen oder unabhängigen weiteren Überlieferungsstufen. Den Abschluss der Sommerakademie bildete eine Sektion von Rolf Kuithan (Wuppertal) zum Liber Vitae des Klosters Zwiefalten, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Bedeutung der Händescheidung für die Analyse der in Verbrüderungsbüchern enthaltenen sozialen Verbände demonstrierte. Zudem bietet der Zwiefaltener Liber Vitae ein gutes Beispiel für das Einwirken chemischer Substanzen auf Handschriften, mit denen man zu Beginn des 20. Jahrhunderts undeutlich lesbare Textpassagen besser lesbar machen wollte (in diesem Falle vermutlich für die Edition des Verbrüderungsbuches für die MGH)- die damit behandelten Passagen sind heute nicht mehr zu lesen. Die nächsten interdisziplinären Sommerakademien in diesem Format werden 2016 in München, 2017 in Aachen und 2018 wieder in München stattfinden
Eva Schlotheuber Jochen Johrendt Harald Müller