Wilhelm Dörpfeld

Nachlasserschließung und Edition
Wilhelm Dörpfelds herausragende Bedeutung für die Entwicklung der Grabungsmethodik und der damit verbundenen Etablierung der grabenden Archäologie als wissenschaftlicher Disziplin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist hinlänglich bekannt und würde alleine schon die Erarbeitung einer wissenschaftlich fundierten Biographie auf breiter Quellengrundlage rechtfertigen. Das Œuvre Dörpfelds und die in seinem Nachlass erhaltenen Dokumente haben darüber hinaus eine hohe kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Relevanz. Die von ihm entwickelten Arbeitsmethoden und popularisierten Thesen stießen über die Fachwelt hinaus auf ein äußerst reges, teilweise sympathiegeleitetes, teils von gereizter Ablehnung bestimmtes Interesse. Erinnert sei exempli gratia an die Konferenzen von Hissarlik (1889/90), auf denen unter lebhafter Anteilnahme einer europäischen Öffentlichkeit die Bedeutung der trojanischen Befunde und ihre Interpretation durch H. Schliemann und W. Dörpfeld debattiert wurde. Dörpfelds von Schliemanns realistischer Homerlektüre inspirierte Thesen zur Heimat des Odysseus lösten teils heftige Abwehrreaktionen in der Fachwelt und der interessierten Öffentlichkeit aus.
Seine heterodoxe Bewertung keramischer Leitfunde der mykenischen und archaischen Zeit brachte ihn in eine polemisch geführte Kontroverse mit Wortführern der etablierten, kunsthistorisch ausgerichteten Facharchäologie wie Adolf Furtwängler. Als archäologischer Berater Wilhelms II. geriet er in den Bannkreis von dessen extravaganten wissenschaftlichen Interessen sowie zeitweise in den Einflussbereich der „Doorner Arbeitsgemeinschaft“ um den exilierten Kaiser. Das öffentliche Wirken Dörpfelds als Popularisator seiner Ideen und streitbarer Geist haben ihren Niederschlag in zahlreichen Korrespondenzstücken, wissenschaftlichen Notizbüchern, Konzepten und Entwürfen seines Nachlasses gefunden. Dieses über zahlreiche Archive verstreute Material gibt wichtige Aufschlüsse über individuelle biographie-geschichtliche, vor allem aber auch die sozial- und rezeptionsgeschichtliche Einbettung der von Dörpfeld initiierten methodischen Grundlegungen und Kontroversen. Darüber hinaus hat der Dörpfeld’sche Nachlass (Grabungstagebücher, Planskizzen, unveröffentlichte Manuskripte) eine erhebliche wissenschaftspraktische Relevanz für zeitgenössische Grabungen und ihre historische Interpretation.
Der Nachlass
Dörpfelds umfangreicher Nachlass befindet sich vornehmlich im Stadtarchiv Wuppertal sowie im Archiv des Deutschen Archäologischen Institutes in Berlin. Daneben finden sich wichtige Archivalien im DAI Athen. Der Wuppertaler Bestand umfasst 30 Kästen, vornehmlich private und wissenschaftliche Korrespondenz sowie Bildmaterial, Manuskripte und Notizbücher. Der Wuppertaler Nachlass ist nicht erschlossen.
Projektbeschreibung:
Seit 2023 widmen wir uns in Kooperation mit dem Stadtarchiv Wuppertal der systematischen Erschließung des Wuppertaler Dörpfeld Nachlasses sowie seiner Edition.
Publikationen:
Eich, Armin, Weidhaas-Berghöfer, Mira (Hgg.): Wilhelm Dörpfeld. Umstrittener Homerforscher und bedeutender Archäologe, Wuppertal 2021.
Wilhelm Dörpfeld: Meiner lieben Schwester Christine … Impressionen eines weitgereisten Archäologen. Edition und Kommentar, Hg. von Gianna Hedderich und Mira Weidhaas-Berghofer, Wuppertal 2021.